Planlos in den "War for Talent"? -

Was sollten Arbeitgeber im Wettbewerb um Talente wissen?


War for Talent – Wie sieht die Wirklichkeit am Arbeitsmarkt aus?

Es soll ja immer noch welche geben, die davon ausgehen, wir würden uns (jetzt schon oder in Zukunft) in einem „War for Talents“ befinden.
Diese „Gläubigen“ mögen mal einen Blick in die jeweiligen „Kriegskassen“ ( auch bekannt als Recruitingbudgets) der Unternehmen werfen und diese dann mit den Marketingbudgets derselben Unternehmen vergleichen. So kann man schnell erkennen, an welchen Fronten wirklich „gekämpft“ wird.
Darüber hinaus bietet sich das HR-Umfeld auch nicht gerade an für eine derartig martialische Denkweise.

Aber lassen Sie uns für einen Moment bei der Terminologie bleiben.

Was sind die Charakteristika für einen "War for Talents" oder besser den "Wettbewerb um Talente"?

  • Demografische Wandel führt zunehmend zu einem Mangel an Fach- und Führungskräften vorwiegend in den westlichen Industrieländern.
  • Wandel hin zur Wissensgesellschaft weckt einen gesteigerten Bedarf an qualifizierten und kreativen Mitarbeitern
  • Innovation und Innovationsfähigkeit entwickelt sich in den westlichen Industrieländern zum entscheidenden Faktor für Wettbewerbsfähigkeit. Damit einher geht ein besonderer Bedarf an innovationsfähigem Personal
  • Es besteht ein allgemeiner Trend, dass die Loyalität qualifizierter Mitarbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber sinkt
  • Das Internet erhöhte dramatisch die Transparenz der Arbeitsmärkte und die Erreichbarkeit der Arbeitskräfte (Social Media Recruiting), wodurch der Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter an Schärfe zugenommen hat.

War for Talents – Was wird in einem „Krieg“ benötigt?

In einem Krieg benötigt man vor einer Schlacht Erkenntnisse über:

  • Die Beschaffenheit des Schlachtfeldes
  • Strategische Punkte die es zu halten oder zu erobern gilt
  • Die Stärke und Ausrüstung des Gegners etc.


Im Englischen wird für diese Art der Erkenntnisgewinnung (nicht nur militärischen Bereich) auch der Begriff Intelligence verwendet. Nicht umsonst steht in der Abkürzung CIA das I für Intelligence (nicht mit dem deutschen Begriff Intelligenz zu verwechseln) 

War for Talents – Was wird in einem „Wettbewerb um Talente“ benötigt?


Übertragen auf den Begriff „Wettbewerb um Talente“, für das Recruiting bedeutet dies, das ein Unternehmen das in diesem Wettbewerb erfolgreich sein will, gut beraten ist, möglichst viele Erkenntnisse über:

  • den Arbeitsmarkt (= Schlachtfeld)
  • die strategischen Punkte (= effiziente Recruitingkanäle)
  • die Pläne der Unternehmen, die im Wettbewerb um dieselbe Zielgruppe aktiv sind (= Schlachtpläne des Gegners)
  • und deren Resistenzressourcen (=Truppenstärke) in Erfahrung zu bringen.


Diese Daten sollten systematisch ausgewertet und aktuell gehalten werden, damit sie relevante Entscheidungen unterstützen können. 

War for Talents – Welche Erkenntnisbereiche könnten für einen Arbeitgeber interessant sein, um sich einen Vorteil im Wettbewerb um die Talente zu erarbeiten?

  • Arbeitsmarkt
  • Recruitingkanäle
  • Aktivitäten der Wettbewerber
  • Aufstellung der Wettbewerber

      Arbeitsmarkt

Zum Thema Arbeitsmarkt sind z.B. Daten über Angebot und Nachfrage wichtig. Wie wird sich das Angebot an Arbeitskräften in der relevanten Zielgruppe entwickeln und ebenso wichtig die Nachfrage?
Aber auch Informationen über die jeweiligen Suchwege der Zielgruppen und Wettbewerber sind entscheidend bei der Frage, trifft das Angebot überhaupt auf die Nachfrage, d.h. finden sich Arbeitgeber und Bewerber oder suchen sie aneinander vorbei.
Ein Unternehmen, daß die Suchwege der Bewerber besser kennt als der Wettbewerb, kann seine meist begrenzen Ressourcen (s. „Kriegskasse“) effektiver und effizienter einsetzen und damit mehr mit weniger erreichen.

     Recruitingkanäle

Einem Recruitment-Verantwortlichen, aber auch jedem Recruiter, bieten sich bei der Festlegung einer optimalen Recruitingstrategie eine Vielzahl von Möglichkeiten dar. Von Online-Jobbörsen über Printanzeigen, Mitarbeiterempfehlungsprogrammen, Personalberatungen, bis zu Social Media oder der Bundesanstalt für Arbeit können viele Kanäle für die Bewerberakquise genutzt werden.
Die Kenntnis z.B. darüber, welche Kanäle mehr Einstellungen pro Bewerbungen bringen, welche Kanäle die Wettbewerber bevorzugt nutzen, welche von Bewerbern präferiert werden, erhöhen wiederum die Schlagkraft des Recruitings, führen zu einer schnelleren Besetzung der Stellen, sparen Zeit und Geld. So kann ein Vorteil im Vergleich zu den Wettbewerbern realisiert werden. 

     Aktivitäten der Wettbewerber

Bei der Beobachtung der Aktivitäten der Wettbewerber macht eine Unterscheidung in Strategie und Taktik Sinn.
Die „Aufklärung“ der Strategie der Wettbewerber umfaßt eine Analyse des Employer Branding. Was ist der Kern der Employer Brand der Wettbewerber, wie differenzierend ist sie (auch im Vergleich zur eigenen), wie authentisch ist die Arbeitgebermarke etc.?
Wie sind die geplanten Einstellungszahlen? Competitive Intelligence auf taktischer Ebene bedeutet z.B. herauszufinden, welche Recruitingkanäle der Wettbewerb zur Umsetzung der Strategie nutzt. Wo und wieviele Anzeigen schaltet er (on- und offline)? Auf welchen Messen ist er vertreten? Wie sieht die Karrierewebsite aus? Was für Mitarbeiterempfehlungsprogramme hat er? etc.

    Aufstellung der Wettbewerber

Hierbei geht es darum herauszufinden, wie viele Ressourcen der Wettbewerb zur Umsetzung von Strategie und Taktik hat, sozusagen die „Truppenstärke“ und „Ausrüstung“ um bei unserem martialischen Beispiel zu bleiben.
Über wie viele Recruiter verfügt der Wettbewerb?
Wie viele Mitarbeiter sind im Personalmarketing aktiv?
Wie viel Geld kann der Wettbewerb ausgeben?
Wie sehen die Einstellungszahlen aus?

War for Talents – Wie kommt ein Unternehmen an Daten für die interessanten Erkenntnisbereiche?

Anlehnung an Competitive Intelligence?

Mit Competitive-Intelligence (CI), wird die „Konkurrenz-/Wettbewerbsforschung, -analyse, -beobachtung, -(früh)aufklärung“ bezeichnet.
Es bezeichnet die systematische, andauernde und legale Sammlung und Auswertung von Informationen über Konkurrenzunternehmen, Marktentwicklungen, Branchen, Kundenerwartungen.

Durch CI können Unternehmen (Arbeitgeber) frühzeitig ihre Strategie und Wettbewerbsstrategie an die sich ändernden Wettbewerbsstrukturen anpassen und aufgrund von besseren Informationen Wettbewerbsvorteile im dynamischen Wettbewerbsmarkt erreichen.

CI grenzt sich dabei zur Wirtschaftsspionage klar ab, befasst sich CI doch ausdrücklich nur mit legalen, Datenschutzkonformen, öffentlich zugänglichen und ethisch einwandfreien Informationen über die Schwächen, Absichten und Fähigkeiten von Wettbewerbern. 


Beispiele für die notwendige Datensammlung im Wettbewerb um Talente

Arbeitsmarkt

  • Arbeitslosigkeit im MINT Bereich


  • Wie suchen Bewerber?

Quelle: Bewerbungspraxis 2011, 10277 Teilnehmer, Nennungen in %

Quelle: Bewerbungspraxis 2011, 10277 Teilnehmer, Nennungen in %

Recruitingkanäle


Aktivitäten der Wettbewerber


Quelle: Recruiting Report 2011, Institute for Competitive Recruiting , Heidelberg




Aufstellung der Wettbewerber

  • Anzahl neueinzustellender MA nach Branche (linke Achse)


Quelle: Recruiting Report 2012, Institute for Competitive Recruiting , Heidelberg
  • Anzahl MA im Recruiting nach  Unternehmensgröße (Anzahl MA) (linke Achse)


Quelle: Recruiting Report 2012, Institute for Competitive Recruiting , Heidelberg,  FTE im Recruiting in Abhängigkeit von der Anzahl der MA


Wie weit sind die Unternehmen? Planlos oder strategisch aufgestellt im Wettbewerb um Talente?

Da ich leider bezweifle, daß die Mehrzahl der Unternehmen einen strategischen Angang für den "War for Talents" nachweisen, kann, freue ich mich über Beispiele von Unternehmen, die schon weiter sind. Oder werden die es nicht verraten, um ihren Wettbewerbsvorteil nicht zu verlieren?

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