Heiko Schombergs "Ein Tag im Leben eines Tech Recruiters"

Einer meiner Lieblinge beim diesjährigen Recruiterslam 2018!

Lese- und Schauzwang! Ein Spaß (nicht nur) für Tech Recruiter!


Leider ist er schon wieder vorbei, der Recruiter Slam 2018 - ein Abend voller Kreativität, Lachen und Freude über die Fähigkeit, über sich selber zu lachen. Er war mit 260 Teilnehmern ausverkauft. Einen sehr schönen Nachbericht hat Stefanie Hornung hier geschrieben.


  

Gewonnen hat Rebecca Glockner von Neoperl mit zwei Texten, einer über die Gleichberechtigung und einer über die Digitalisierung des Recruitings. Von Ihr werden wir noch mehr hören, da ich Sie für einen Vortrag auf dem Trendforum Personal auf der Zukunft Personal im September in Köln gewinnen konnte.

Das eigene Lachen noch im Ohr, die Texte leider schon wieder fast vergessen. Wie war genau die Formulierung? Einer meiner Lieblings-Slammer, Heiko Schomberg von Bayer, hatte die Freundlichkeit, seinen Text bereit zu stellen. Da es sich auch noch quasi um "einen Tag im Leben eines Tech Recruiters" (Bronco Rautenmüller) handelt, will ich den Text und ein Video den anderen Tech Recruitern nicht vorenthalten:


Wenn ich mit einem Zitat begönne, würde ich sagen: "Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand!" (Max Frisch) 

Bronco Rautenmüller guckte hoch zur Uhr, sie zeigte 18.30 Uhr. Es war wieder mal ein langer Interviewtag gewesen. Um 18.00 Uhr hätte das fünfte und damit letzte Auswahlgespräch des Tages beginnen sollen. Dann wäre es möglich gewesen, um Punkt 20.00 Uhr im Babos auf der Alaunstrasse zu sitzen. 

Bronco sagte zum Fachbereich. „Tja, der Junge kommt wohl nicht mehr, ich gehe noch mal zum Empfang und dann gehen wir alle schön nach Hause.“ Er freute sich über das unerwartet frühere Ende eines wieder langen Recruiting-Tages und auf einen Dönerteller Nr. 17 samt grünem Atomapfeltee in der Dresdner Neustadt; das Grün des Instantapfeltees war künstlicher als das Grün von Wasabierbsen; das Wort „Wasabierbsen“ sah komisch aus, wenn man es zu Papier brachte, beim oberflächlichen Lesen konnte man das Wort „Wasserbier-Erbsen“ ausmachen. Was immer das auch sein mag.

 „Hoffentlich kommt der Kandidat nicht mehr“, dachte er, sagte er. Der Fachbereich nickte und der neue Kollege auch. Der Personaler stieg die Treppe hinab, und ging wippend, ja cruisend, im Kopf den nächsten Arbeitstag durchgehend zum Empfang im Parterre, und da sah er ihn: Ralf Bummi Bursy! Einen Menschen in Pullunder, abgewetzten Schlag-Cordhosen mit wirren Haaren, die jedem 70er-Jahre-Schachgroßmeister zur Ehre gereichen würden, ein sehr, sehr beleibter Nerd, der eine Plastiktüte von ALDI-Süd in der rechten Hand hielt, aus der eine BILD und ein Dresdner Stadtmagazin ragten; die Figur redete in entgrenztem bajuwarischen Idiom auf den stark sächselnden Herrn am Empfang ein und gestikulierte dabei raumgreifend mit der linken Hand: „Ich habe auch einen Ausweis vom Münchner Standort, ich bin Ihr Kollege, ich brauche doch keine Anmeldung.“ 

Bronco hatte kein gutes Gefühl. In der Halbleiterei war er es ja gewohnt, dass die Kandidaten nicht gerade im Stresemann und Lackschuhen zum Vorstellungsgespräch kamen. Aber diese Erscheinung im Sinne von „Erscheinung“ übertraf einfach alles. Alles. Er ging auf den Kandidaten zu und es wurde auch geruchlich nicht besser, Bursy roch wie Sau nach abgestandenem Schweiß, sagte aber sehr freundlich: „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, der Zug von Radebeul nach Dresden hatte einige Verspätung und ich habe keinen Zauberknochen dabei, um anzurufen.“ Er sagte wirklich: „Zauberknochen“.  

Was dann folgte, war ein „fulminanter Auftakt“, wie man es wohl im Fußball nennen würde! Bronco führte den Kollegen zum Interviewraum im ersten Stock; nach einem kurzen Mikro-Smalltalk teilte der Kandidat seinen dringenden Harndrang mit: „Das Buerli muss erst mal auf die Toilette.“ Er legte vorher noch seinen gelben Schwerbehindertenausweis auf den Tisch, flankiert von den Worten: „Passt mir da fein drauf auf, das ist meine Fahrkarte mit der Bahn.“ 

Herr Bursy ging auf Toilette und die drei Augenpaare im Raum blickten hilflos, halbbelustigt und verwirrt. Sah er etwa Angst in den Augen des neuen HR-Kollegen, der beim Auswahlgespräch hospitierte?!? Bronco zuckte mit den Schultern, sagte, „Dann ist es halt so!“ und nahm sich einen Keks. 

 Als der Kandidat vom Wasserlassen wiederkam, startete Bronco rasch das Interview mit erneutem Begrüßungssmalltalk, Getränkeangeboten und einer kurzen Selbstvorstellung. Dann war das Schachgroßmeisterdouble an der Reihe und paraphrasierte seine bisherige Erwerbsbiographie. Bronco guckte die ganze Zeit, einem Physiker gleich, wie ein Shoegazer, nur auf seinen Gesprächsbogen, auf seine Interviewdokumentation, nur auf diese, um auf keinen FallAugenkontakt zu irgendjemandem im Raum zu erhaschen, er hätte das Mineralwasser sofort in einer hohen Fontäne ausgeprustet! 

Er schrieb auf seinen Interview-Bogen im Bereich „Auftreten / Äußeres Erscheinungsbild“: … und dazu kritzelte er ein paar Figürchen und geometrische Formen aufs Blatt. Schreiben, um nicht zu lachen. Nur ein Blick auf Herrn Bursy, den Fachkollegen oder den Mit-HR-ler und Bronco hätte für nichts mehr garantieren können. Für gar nichts. Er hätte das Mineralwasser, einem Springbrunnen gleich, über alle drei Gesprächsteilnehmer im Raum verteilt.  

Der Hammer ereilte Bronco dann bei der Passage, in der routinemäßig die Englischkenntnisse des Kandidaten abgefragt werden. Bronco wechselte ins Englische, sagte „You’ve mentioned, that you like SciFi in general and StarWars in specific. Do you sympathize with the Empire or the crazy lads around Luke Skywalker?” Ralf Bummi Bursy schaute Bronco völlig empört an, entgeistert geradezu, stand auf, zog seine Sitzgelegenheit etwa 50 cm vom Besprechungstisch weg, stieg entschlossen auf seinen Stuhl und schrie mit 200 Phon:  

„ I support the Rebellion!“ 

Bronco notierte: „Fließende Englischkenntnisse“. Der neue Kollege bewegte sich mittlerweile katatonisch auf dem teuren Designerstuhl vor und zurück. Bronco glaubte einfach nicht, was er in diesem Moment sah, roch, hörte. Doch die olfaktorische Herausforderung war egal, denn Bronco wusste, dass Bursy seine Ergebnisse in Excellisten hackte und dann per E-Mail versendete. Er würde wenig Berührungspunkte mit realen Kolleginnen und Kollegen haben. In Räumen. Da konnte er ruhig riechen wie ein Iltis. Und er war einfach sympathisch. Grundehrlich, authentisch, freundlich. Gewinnend. 

Er konnte Bronco locker erklären, so dass es auch der interessierte Laie verstand, wie aus Quarzsand nach nur 450 bis 600 Prozessschritten ein fertiges Logikprodukt wird, das man von einer „Waferpizza“ (so sagte er!) mit 300 Millimetern Durchmesser sägt. 

Als Hobbies gab er u.a. „Wissenschaftsendungen und Technikdokumentationen auf Arte, 3sat und phoenix“ an und Bronco wusste, dass es einfach stimmte. Bursy schweifte nie ab und blieb immer eng am Thema. Hier spielte einfach niemand eine eingeübte Rolle.

 [Mit Blick auf die Uhr, mache ich hier erst einmal Schluss. Falls Ihr wirklich wissen wollt, wie es weitergeht, wisst Ihr ja, was zu tun ist.] 

Und die Menge ließ Heiko Schomberg gewinnen, was er mit übernatürlicher Demut hinnahm. So erhielten wir die Chance auf den zweiten Teil:

Teil 2 gibt es auch als Video:

 [Was bisher geschah: Bursy sieht komisch aus und riecht streng. Er unterstützt die Rebellion und ist sausympathisch. Von Halbleiterei versteht er mehr als die meisten anderen Menschen auf diesem Planeten.] 

Der Linienmanager stellte Herrn Bursy ausführlich seinen Fachbereich vor, so ein HR-Gespräch ist ja keine Einbahnstraße, der Kandidat soll ja auch etwas über die Firma erfahren, über Bursy war ja schon einiges „bekannt“. Broncos anzulernender HR-Kollege schwieg weiterhin, bewegte sich nach vorn und hinten, und Bronco ließ den Geist baumeln, die Vorstellung des Bereiches hatte er einfach zu oft schon gehört. Er dachte daran, wie er bei Fachidioten oder Ausschweifern diese mit unerwarteten, manchmal sogar überraschenden Fragen aus dem Redefluß und Tunnel holte: „Ich muss Sie kurz unterbrechen: Welche drei Personen des öffentlichen Lebens, egal ob lebendig oder tot, würden Sie eigentlich gerne mal zum Mittagessen einladen?“ Ein Instandhalter-Bewerber aus Mittweida antwortete 2005 mal darauf - wie aus der Pistole geschossen - mit 

Adolf Hitler, Josef Stalin, Pol Pot

… Uuuuups, ein Ehrwolf! Die ehrliche Haut teuer verkauft. Bronco ließ sich auch da nichts anmerken und notierte: „Recht authentischer Kandidat“. Hatte er den Job eigentlich damals bekommen?! 

Währenddessen lief der Sehtest mit Ralf Bummi Bursy. Der Fachbereich zeigte dem Aspiranten schon die vierte Din-A-4-Sehtestkarte mit geographischen Figuren in 3D, normalerweise kam kaum einer erkennend über die dritte hinaus und Bursy sah einfach alles. Alles. Man muss fantastisch sehen und ein sehr gutes dreidimensionales Verständnis haben, um acht Stunden am Tag durchgesägte Waver unter einem Elektronenrastermikroskop auf physikalische Fehler zu untersuchen. Und man muss aus Stumpfhausen kommen. Und keine großen Abenteuer von seiner Arbeit erwarten.

Bronco thematisierte vorsichtig und etwas plattitüdenhaft mit Herrn Bursy den möglichen Umzug von München nach Dresden („Die Strecke kann man ja nicht jeden Tag pendeln“, es folgte ein gekünsteltes Lachen, „hi,hi.“), der Kandidat antwortete total gelangweilt: „Na klar muss ich umziehen!! Aber - hier gibt es doch tolle Programmkinos und Museen, dann such‘ ich mir was Nettes und bau‘ mir ein schönes Nestchen in der Neustadt.“ 

Das vierte Mal in knapp anderthalb Stunden, dass Bronco sprachlos war. 

Der Dr. Robert Hübner der Semiconductorszene guckte etwa gegen 20.00 Uhr in die Runde, sagte dann sehr deutlich, „So, wir müssen jetzt hier aber Schluss machen, ich habe noch Termine und muss mit den Regionalzügen zurück nach München, da hab‘ ich noch einige Stunden Zugfahrt vor mir und ich muss um 06.00 Uhr mit meiner Morgenschicht beginnen. Die Unterhaltung war sehr nett, ich hoffe, ich konnt’s Euch überzeugen, ich muss jetzt los. Pfiat Eich!“  

Der Kandidat, Leiharbeiter in der Münchner Zentrale, stand auf, gab jedem die Hand und wollte gehen, Bronco moderierte gedankenschnell ab, sein neuer Personalerkollege saß immer noch wortlos im Raum und murmelte erstmals etwas, ein halbverständliches „Auf Wiedersehen, hat mich sehr gefreut.“ 

Bronco brachte Herrn Bursy nach unten, fragte noch, ob er ein Taxi zum Bahnhof Neustadt bestellen solle, dies wurde humpelnd verneint („Nee, ich fahr‘ mit der StraBa, ist günstiger für Sie“) und dann war er weg. Er war weg. 

Bronco musste wieder in den Interviewraum zur Nachbesprechung. Sekunden wie Blutergüsse. Er musste das Auswahlgespräch mit dem Kollegen und dem Hiring Manager nachbereiten. Was sollte er sagen? Was sollte er tun? Bursy war der absolut Richtige für den Job, nerdig genug und doch vielfältig interessiert, er konnte hervorragend räumlich sehen und ihm machte die angestrebte Tätigkeit Spaß (sic!). Auch dass er so streng roch, war kein Problem, denn er hatte ja kaum bis keinen Kollegenkontakt. Was sollte Bronco empfehlen?

 Was würdet Ihr tun? 

Er öffnete die Tür, sein HR-Kollege saß immer noch bleich und wortlos in der Ecke und griff auf & ab wippend zu einem Keks nach dem anderen. Der Teller war rasch leer. Der Fachbereich schaute ihn erwartungsfroh an. 


Was sollte Bronco tun? Was würdet Ihr tun? 

 Er sagte: „Also, Jupp, auch auf die Gefahr hin, dass Du mich jetzt für total geisteskrank hältst:Wir müssen dem Jungen ein Angebot machen – der war total genial!“ 

„Pffffffft, bin ich froh, dass DU das sagst, ich dachte schon, ich habe die Vollmeise. Nee, richtig, sofort morgen ein Angebot unterbreiten und die Betriebsratsanforderung starten – der Mann ist gekauft!“ 

Bronco lächelte, sein Kollege schaute mit weit aufgerissenen Augen erst auf Bronco, dann auf die Führungskraft, schüttelte den Kopf und verließ den Raum. Auch abends beim Essen im Babos-Döner sprach er recht wenig und trank viel Bier. 

Er scheiterte an der Barriere der Wahrheit. 

 -ENDE- P.S.: Diese Geschichte hat sich natürlich nicht so zugetragen, das glaubt einem ja echt kein Mensch. Oder? ODER?!

 P.P.S: Der einzige Mitarbeiter am Standort Dresden, der die Insolvenz des Carve-outs für Logikprodukte „überlebte“ und vom Mutterkonzern wieder übernommen wurde, war übrigens: Ralf Bummi Bursy. 

 Aber das ist nun wirklich eine ganz andere Geschichte!!


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